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Wissenschaftliche Grundlagen

 

Resilienzforschung
Kinder und Jugendliche sind heute vielfachen Unsicherheiten, Belastungen und schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt. Umso wichtiger ist, ihre Resilienz – also ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber diesen Gefährdungen – zu stärken. Sogenannte umweltbezogene Schutzfaktoren sind:

  • ein autoritativer Erziehungsstil, der durch Wertschätzung und Akzeptanz dem Kind gegenüber sowie durch ein unterstützendes und strukturierendes Erziehungsverhalten gekennzeichnet ist,
  • eine stabile, emotional-positive Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson, aufgrund derer das Kind ein sicheres Bindungsmuster entwickeln kann, sowie positive Peer-Kontakte und Freundschaftsbeziehungen,
  • positive Rollenmodelle, d. h. Vorbilder für aktives, konstruktives Problemlösen und pro-soziale Handlungsweisen.

Neben den schützenden Bedingungen in der Lebensumwelt tragen insbesondere personale Ressourcen wie die Fähigkeit zu Selbstregulation, eine ausgeprägte Sozialkompetenz (Kontaktfähigkeit, Empathie, Perspektivübernahme) und Problemlösefähigkeiten zur Entwicklung von Resilienz bei.

Literatur
> Fröhlich-Gildhoff, K./Rönnau-Böse, M. (2011): Resilienz. Stuttgart: UTB


Autoritativer Erziehungsstil
Konflikt-KULTUR vertritt die Prinzipien des autoritativen Erziehungsstils. Wärme, Anteilnahme und Wertschätzung sind gepaart mit klaren Grenzen und Verantwortlichkeit. Die entwicklungsförderliche Wirkung dieses Erziehungsstils ist vielfach belegt. Autoritativ erzogene Kinder verfügen über das höchste Maß an geistigen und sozialen Kompetenzen und zeichnen sich durch das geringste Problemverhalten aus. Wenn diese Kinder ins Jugendalter kommen, haben sie ein hohes Selbstwertgefühl und eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, verhalten sich verantwortungsbewusst, sind selbständig, kreativ und wissbegierig, sind hilfsbereit und zeigen die besten Schulleistungen.

Literatur
> Fuhrer, U. (2006): Erziehungskompetenz. Bern: Huber.
> Himmelseher, S. (2009): Warum ist der autoritative Erziehungsstil erfolgreicher als andere? München: GRIN.
> Honkanen-Schoberth, P. (2012). Starke Kinder brauchen starke Eltern: Der Elternkurs des Deutschen Kinderschutzbundes. Freiburg: Kreuz.
> Juul, J. (2012): Ein Apfel für den Lehrer. München: Voelchert.


Bedürfnisorientierung
Verstehen, was Kinder und Jugendliche brauchen, was sie wollen und sich wünschen, was sie antreibt und motiviert, wofür sie leben und kämpfen und ihre Bedürfnisse zu kennen, sind wesentliche Voraussetzungen für eine wertschätzende Haltung im Sinne des autoritativen Erziehungsstils. Konflikt-KULTUR orientiert sich hier am Modell von Klaus Grawe.

Literatur
> Grawe, K. (2000): Menschliche Grundbedürfnisse als oberste Sollwerte der psychischen Aktivität. In K. Grawe, Psychologische Therapie (S. 383-452). Göttingen: Hogrefe.

Die Erkenntnisse von K. Grawe wurden im Rahmen von Konflikt-KULTUR zum Modell der bedürfnisorientierten Erziehung erweitert, nachzulesen in: Grüner, T. (2010): Die kleine Elternschule. Was Kinder stark und glücklich macht. Freiburg: Herder.


Bindung und Motivation
Konflikt-KULTUR bietet Kindern und Jugendlichen einen Beziehungsraum an, in dem Bindungen zu Erwachsenen und der Peergroup entstehen können, die unter anderem positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten und auf die Lernmotivation haben. Wir arbeiten mit hochwirksamen Motivationssystemen, die auf Erkenntnissen aus der Bindungs-, Lern- und Gehirnforschung beruhen. Ziel ist eine verlässliche Anerkennungskultur, die nicht auf die Angst vor Strafen setzt, sondern vielmehr über die Vorfreude auf Zuwendung, Wertschätzung, Bestätigung und Anerkennung zu sozialem und regelkonformem Verhalten motiviert.

Literatur
> Bauer, J. (2006): Lob der Schule. Hamburg: Hoffmann und Campe.
> Hüther, G. (2010): Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
> Roth, G. (2011): Bildung braucht Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta.


Positive Rollenmodelle
Referenten/-innen und Trainer/-innen für Konflikt-KULTUR wirken durch ihr Vorbild. In der Klassenführung, im Sozialtraining, in der Mobbingintervention, in der Mediation und im Tat-Ausgleich sind sie Modell für Wertschätzung, Kontaktfähigkeit, Selbstregulation, Empathie und Gewaltfreiheit. Ausgebildete Schüler-Mediatoren/-innen sind in ihrer Peergroup positive Rollenmodelle für andere Kinder und Jugendliche. 


Selbstregulation
Die Methoden von Konflikt-KULTUR zielen darauf ab, die Fähigkeit zu Bedürfnisaufschub, zu Frustrationstoleranz, Selbstkontrolle, Selbstdisziplin und Impulskontrolle zu entwickeln. Das Erlernen dieser Fähigkeiten macht nicht immer nur Spaß, sondern mutet Kindern und Jugendlichen auch etwas zu. Gleichzeitig zeigen wissenschaftliche Untersuchungen – beginnend mit Walter Mischels Marshmallow-Test – eindrücklich, dass Kinder mit einem hohen Grad an Selbstkontrolle in der Schule bessere Noten haben, bei Konzentrationstests besser abschneiden, eine höhere soziale Kompetenz besitzen und Stress besser bewältigen können. Später sind sie gesünder und im Beruf und ihren Beziehungen erfolgreicher. Selbstkontrolle determiniert den Schul- und Studienerfolg weit stärker als der Intelligenzquotient. Malte Friese und Claude Messner vom Institut für Psychologie der Uni Basel umschreiben es so: „Vereinfacht gesagt zeigt Intelligenz in einem gewissen Maße das Potenzial einer Person an, während Selbstkontrolle eine Abschätzung erlaubt, wie gut eine Person das eigene Potenzial nutzt, um erfolgreich zu sein.“

Literatur
> Spitzer, M. (2011): Selbstkontrolle. Müllheim: Auditorium Netzwerk.
> Ernst, H. (2010): Wenn Aufschieben zur Tugend wird. Psychologie Heute, Januar.
> Duckworth, A. L. (2011): The significance of self-control. Proceedings of the National Academy of Sciences, 108(7), 2639-40.(pdf)

Quellen im Netz
>www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/drucken/312797.html
> lexikon.stangl.eu/3697/marshmallow-test/
> de.wikipedia.org/wiki/Delay_of_gratification


Empathie
Im Alter zwischen vier und fünf Jahren entwickeln Kinder die Fähigkeit zu Perspektivenübernahme (Theory of Mind). Sie beginnen, sich in andere hineinzuversetzen. Sie lernen, die Gedanken, Gefühle, Absichten und Bedürfnisse anderer zu verstehen und können Handlungsfolgen abschätzen. Dies sind die Grundvoraussetzung für Empathie und Mitgefühl und damit der Kern dessen, was Menschlichkeit ausmacht. Mitgefühl ermöglicht soziales Verhalten und wirkt gewalthemmend.

Mit der Fähigkeit zu Perspektivenübernahme ist auch die Fähigkeit zu Selbstreflexion und zu vorausschauendem Denken und Handeln verbunden. Damit besitzen Kinder die Voraussetzung für die oben genannte Selbstregulation. Gleichzeitig können Kinder nun ein stabiles Bild von sich selbst entwickeln und es in die Zukunft projizieren. Sie entwickeln eine feste Identität. Die Perspektivenübernahme der Kinder zu fördern, zählt deshalb zu den wichtigsten Erziehungsaufgaben. Konflikt-KULTUR trainiert diese Fähigkeit vierfach:

  • In allen Bausteinen von Konflikt-KULTUR vermitteln wir spezielle Techniken zur Förderung der Perspektivenübernahme.
  • Wir anerkennen und reflektieren die Folgen pro-sozialen Verhaltens und wir konfrontieren Kinder und Jugendliche wertschätzend mit den Folgen unsozialen Verhaltens. Dazu zählt auch, dass unsoziales Verhalten Konsequenzen für das Kind hat und wir persönliche Wiedergutmachungen für Gewaltfolgen einfordern. Das Empathietraining im Rahmen von Konflikt-KULTUR lässt Kinder und Jugendliche die Folgen ihres Verhaltens im positiven wie negativen Sinn erleben. Dieses Erleben löst Emotionen wie Freude, aber auch Betroffenheit und Erschütterung aus, die Grundbedingung für nachhaltiges Lernen sind. Mit dieser Verantwortungspädagogik stehen wir im Widerspruch zur gängigen „Verständnispädagogik", die die Gründe für unsoziales Verhalten dazu benutzt, dieses zu entschuldigen und sich davor scheut, Kinder und Jugendliche die Konsequenzen ihres Verhaltens tragen zu lassen.
  • Der Prozess des Mitfühlens kann aber auch blockiert werden. Kinder und Jugendliche schützen sich (genauso wie Erwachsene) vor der Verantwortungsübernahme durch Ausreden, Rechtfertigungen, Neutralisierungstechniken und Schutzbehauptungen. Wir trainieren die Fortbildungsteilnehmer/-innen darin, diese Strategien zu erkennen und sie wertschätzend und konstruktiv aufzulösen.
  • Wir passen das Empathietraining an die Entwicklungsphasen des Kindes an. Im Alter zwischen ca. 6 und 12 Jahren verfügen Kinder beispielsweise über die Fähigkeit zur Relevanzsuppression. Dies bedeutet u. a.  eine gewisse emotionale Immunität, die es dem Kind ermöglicht, die Wertvorstellungen Erwachsener ohne Schuldgefühle und schlechtes Gewissen zu missachten und Mitgefühl zu unterdrücken, was eine erhebliche Herausforderung für die Werteerziehung darstellt.

Literatur
> Bischof, N. (1999): Das Kraftfeld der Mythen. München: Piper.
> Bischof-Köhler, D. (2000): Kinder auf Zeitreise. Theory of Mind, Zeitverständnis und Handlungsorganisation. Bern: Hans Huber.
> Standop, J. (2005): Werte-Erziehung. Weinheim: Beltz.
> Edelstein, W./Oser, F. /Schuster, P. (Hrsg.) (2001): Moralische Erziehung in der Schule. Weinheim: Beltz.


Problemlösefähigkeiten
Im Unterricht, im Sozialtraining, in der Mobbingintervention, in der Mediation und im Tat-Ausgleich trainieren wir mit Kindern und Jugendlichen eine Vielzahl aktiver Konfliktlösekompetenzen.


Klassenführung
Alle oben genannten Ziele, Prinzipien und Methoden fließen auch in unseren Ansatz zur Klassenführung ein und werden dort mit speziellen Inhalten ergänzt.

Literatur
> Haag, L./Streber, D. (2012): Klassenführung. Weinheim: Beltz.
> Helmke, A. (2010): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze: Klett-Kallmeyer.
> Hoegg, G. (2012): Gute Lehrer müssen führen. Weinheim: Beltz.
> Jensen, E./Jensen, H. (2011): DIALOG mit Eltern. München: Voelchert.
> Reichenbach, R. (2011): Pädagogische Autorität. Stuttgart: Kohlhammer.


Gewaltprävention
Zur Gewaltprävention, zur Verbesserung des sozialen Klimas in Schulen sowie für die Gestaltung eines störungsfreieren Unterrichts werden Mehr-Ebenen-Programme nach den Prinzipien von Dan Olweus (2002) empfohlen. Diese Programme wurden in mehreren Ländern überprüft, und es konnte eine gewalt- und aggressionsreduzierende Wirkung gemessen werden. Aus diesem Grund hat die Landesregierung in Baden-Württemberg alle baden-württembergischen Schulen beauftragt, in den kommenden Jahren ein solches Präventionsprogramm umzusetzen. Zur Unterstützung der Schulen wurde die Initiative „stark.stärker.WIR.“ ins Leben gerufen. Dabei setzen effektive Maßnahmen auf den Ebenen der Schulleitung, der Ebene der Klassen bzw. des Unterrichts sowie der einzelnen Schüler/-innen an. Konflikt-KULTUR bietet Konzepte für alle Ebenen an und begleitet Schulen u. a. aus diesem Grund langfristig.

Zentral für Präventionsprogramme ist, dass eine schulische Umgebung geschaffen wird, die auf der einen Seite von Wertschätzung gekennzeichnet ist, auf der anderen Seite aber verlässliche Grenzen in Bezug auf unerwünschte und inakzeptable Verhaltensweisen setzt (vgl. Bannenberg 2010; Olweus 2002). Lehrkräfte bzw. Multiplikatoren/-innen sollen als positive Autorität (Omer/Schlippe 2010) handeln, also positives Verhalten anerkennen, Regelverletzungen konsequent benennen und entsprechende Konflikte gewaltfrei austragen. An diesen Prinzipien orientiert sich Konflikt-KULTUR durch die Festlegung eindeutiger Regeln zu Unterrichtsstörungen, die Schaffung von Anerkennungssystemen für Schüler/-innen, die diese Regeln einhalten, und den Einsatz von Konsequenzen, die dem Prinzip „Hilfe vor Strafe" folgen. Dies bedeutet, dass mit dem betroffenen Kind oder Jugendlichen  –  gegebenenfalls auch unter Beteiligung der Erziehungsberechtigten – erarbeitet wird, wie er oder sie es zukünftig schaffen kann, sich an die Regeln des Klassenverbandes zu halten.

In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass gerade klar festgeschriebene Regeln auf Klassenebene, auf deren Einhaltung verbindlich geachtet wird, zu einer Verbesserung des Sozialklimas beitragen. Zudem sind ein gutes Sozialklima sowie eine Kultur, in der gute Leistung anerkannt wird, eine Voraussetzung dafür, dass Schüler/-innen gut lernen können. Somit können Schulen ihren Bildungsauftrag effektiver ausführen, wenn sie den Erziehungsauftrag vermehrt in den Vordergrund stellen (vgl. Bauer 2011; Hanke 2007).

Mehr-Ebenen-Programme wirken präventiv für Lehrkräfte in Bezug auf Burn-Out-Prophylaxe, weil zum einen vermehrte Strukturen für Kooperationen und Absprachen generiert werden und weil zum anderen „Aggressivität im Klassenzimmer – vor allem Beleidigungen und Bedrohungen – der am stärksten auf die Lehrergesundheit durchschlagende Einzelfaktor ist“ (Bauer 2011:24).

Literatur
> Altenburg-van Dieken, M./Rademacher, H. (Hrsg.) (2011): Konzepte zur Gewaltprävention in Schulen. Prävention und Intervention. Berlin: Cornelsen.
> Balser, H. et al. (Hrsg.) (2009): Gewaltfreie Schule. Praxisbausteine der Gewaltprävention für eine handlungsorientierte Schulentwicklung. Köln: Wolters Kluwer.
> Bannenberg, B. (2010): Herausforderung Gewalt. Von körperlichen Angriffen bis Cybermobbing: Erkennen – Vorbeugen – Intervenieren. Eine Handreichung für Lehrkräfte und andere pädagogische Fachkräfte. (Hrsg.): Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes.
> Bauer, J. (2011): Gefährdeter Schulfrieden. Gewaltprävention: Aggressivität und Gewalt ist ein weitverbreitetes schulisches Problem. In: bildung und wissenschaft b&w. Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg. 10/2011. S. 24f.
> Hanke, O. (2007): Strategien der Gewaltprävention an Schulen. In: Arbeitsstelle Kinder -und Jugendkriminalitätsprävention (Hg.): Strategien der Gewaltprävention im Kinder- und Jugendalter. Eine Zwischenbilanz in sechs Handlungsfeldern. München: DJI. S. 104-130.
> Jannan, M. (2008): Das Anti-Mobbing-Buch. Gewalt an der Schule – vorbeugen, erkennen, handeln. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
> Melzer, W,/ Schubarth, W./Ehinger, F. (2012): Gewaltprävention und Schulentwicklung. 2., überarbeitete Auflage. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt Verlag.
> Olweus, D. (2002): Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. 3., korrigierte Auflage. Bern u.a.: Verlag Hans Huber.
> Omer, H./Schlippe von, A. (2010): Stärke statt Macht. Neue Autorität in Familie, Schule und Gemeinde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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